Das Kreuz muss weg, hängt aber immer noch da

Zehn Jahre dauerte das Verfahren um ein Kreuz in der Eingangshalle eines bayrischen Gymnasiums, das von uns während der ersten Instanz übernommen wurde und im Berufungsverfahren erfolgreich zu Ende geführt wurde.

Zehn Jahre dauerte das Verfahren um ein Kreuz in der Eingangshalle eines bayrischen Gymnasiums, das von uns während der ersten Instanz übernommen wurde und im Berufungsverfahren erfolgreich zu Ende geführt wurde. Darüber wurde breit berichtet, z.B. im SPIEGEL und bei LTO. Das Interessante an der Entscheidung ist eigentlich weniger die Begründung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, die man hier nachlesen kann (Kurzfassung in der Presseerklärung hier), sondern das wirkliche Problem besteht darin, dass für derartige Selbstverständlichkeiten zehn Jahre prozessiert werden muss mit dem Ergebnis, dass die Klägerinnen zum Zeitpunkt des Erfolges schon lange die entsprechende Schule nicht mehr besucht haben. Das Gericht wendet nur die lange bestehende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes an. Es ist eigentlich selbstverständlich, dass in einer staatlichen Schule (um die es hier ging) keine religiösen Symbole aufgehängt werden dürfen, die die Parteinahme des Staates für eine bestimmte Religion symbolisieren. Der bayerische Staat hoffte offenbar, dass die Sache sich erledigt, weil die Schülerinnen absehbar das Ende des Prozesses auf der Schule nicht mehr erleben würden. Insofern ist das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes auch deswegen bemerkenswert, weil es das Rechtsschutzbedürfnis für die dann nur noch mögliche Fortsetzungsfeststellungsklage sehr weit gezogen hat. Insbesondere folgende Erwägung: dürfte weit über das vorliegende Verfahren hinaus von Bedeutung sein:

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht im – verfassungsrechtlich besonders sensiblen – religiös-weltanschaulichen Bereich auch nach Abschluss der Schule weiterhin ein schutzwürdiges Interesse an der gerichtlichen Feststellung einer etwaigen während der Schulzeit eingetretenen Grundrechtsverletzung, da andernfalls der Grundrechtsschutz der Betroffenen, die dieDauer des Verfahrens zeitlich nicht beeinflussen können, unzumutbar verkürzt würde
(vgl. BVerfG, B.v. 17.12.1975 – 1 BvR 63/68 – juris Rn. 52; B.v. 16.10.1979 – 1 BvR
647/70 u.a. – juris Rn. 36; B.v. 16.5.1995 – 1 BvR 1087/91 – juris Rn. 26)

Wer nun aber denkt, dass als Konsequenz aus dem genannten Verfahren das Kreuz in dieser – aber auch in anderen staatlichen Schulen – verschwindet, der sieht sich getäuscht. Die Missachtung der Rechtslage, wie sie durch Gerichte festgestellt wird, gehört mittlerweile zum guten Ton der Exekutive, wobei formal es natürlich um einen Einzelfall geht. Das ändert aber nichts daran, dass das Kruzifix in dieser aber auch vielleicht weiteren Schulen rechtswidrig ist und abgehängt werden müsste. Da dies aber nicht von irgendjemanden verlangt werden kann, bedarf es einer weiteren mutigen Schüler*in, die jetzt noch an der Schule ist und unter Berufung auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes die Entfernung des Kruzifixes verlangt.

Bei dieser Beharrung auf dem rechtswidrigen Zustand, verwundert es auch nicht, dass bis heute keine der Personen (Schüler, Lehrer, Schulleitung), die früher Stimmung gegen die Klägerinnen gemacht haben, jetzt ihren Fehler einsehen und auf die Klägerinnen zukommen.

Die Frauen hinter dem Verfahren

In Pressekommentaren zum Urteil werden die Mandantinnen, die mit einem hohen persönlichen Einsatz das Verfahren geführt haben, nicht richtig ernst genommen. Ein besonders schlechtes Beispiel ist hier der Artikel in der taz, in dem behauptet wird, die Kreuze hätten den Schülerinnen nicht „gefallen“. Dass das Verfahren in diesem schlecht recherchierten Artikel dann auch noch gleich als Reaktion auf den Kreuzerlass von Söder im Jahre 2018 dargestellt wird, liegt völlig neben der Sache, lief das Verwaltungsverfahren doch schon seit 2015, die Klage seit 2016.

Eine der Klägerinnen bedauert, dass solche Selbstverständlichkeiten erst nach zehn Jahren festgestellt werden, möchte das Urteil nicht weitergehend kommentieren. Die andere Klägerin hat eine ausführliche Stellungnahme gefertigt, in der sie die Entwicklung des Konfliktes, und die Nachstellungen und das Mobbing ihr gegenüber darstellt. Diese von großem Ernst getragene Stellungnahme verdient es, insgesamt zur Kenntnis genommen zu werden und nicht nur in einzelnen Sätzen, weshalb wir sie auch hier auf unserem Blog veröffentlichen, wie auch der Bund für Geistesfreiheit. Wer die Stellungnahme gelesen hat, weiß wieviel Mut und Zivilcourage es erfordert, Selbstverständlichkeiten einzufordern. Es zeigt, dass die gegenüber den Klägerinnen eingeforderte Toleranz wegen des Kreuzes („die sollen sich doch nicht so haben“) in Ablehnung und Hass umschlägt, fernab der Toleranz, für die das Kreuz angeblich steht. Es wäre besser um unsere Gesellschaft bestellt, wenn es mehr Menschen gäbe, die so konsequent ihr berechtigtes Anliegen verfolgen.

Meine Mandantin möchte weiter anonym bleiben, wer sich allerdings ernsthaft mit ihrer Stellungnahme auseinandersetzen will, kann mir eine Mail unter brief@die-schneeflocke.de schreiben, die ich dann weiterleiten werde.

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Eine Antwort

  1. Danke Herr Reinecke für Ihr Engagement.
    Danke an die Klägerin für diese Stellungnahme.
    Eine Anmerkung:
    Wir wissen natürlich nicht, ob schon Kreuze in bayerischen Schulen wegen dem Protest von Schüler*innen oder Eltern abgenommen worden sind.
    Der bfg Bayern hat die zuständige Ministerin angeschrieben und sie aufgefordert, die Konsequenzen aus dem Urteil zu ziehen. Die Kreuze müssen abgehängt werden.
    Frank Riegler

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